Das Geheimnis der Mantras

Interview mit dem geistigen Lehrer Shri Prakash Ji

In unserer heutigen, nicht einfachen Zeit entwickelt sich immer stärker der Trend, dass sich Menschen für Yoga und für das Rezitieren von Mantras interessieren. Nicht wenige erhoffen sich durch die Anwendung der Mantras zu Reichtum zu gelangen, Unglück zu umgehen und sich sehnliche Wünsche zu erfüllen. Ist dies in der Tat möglich, und worin liegt das Geheimnis einer der ältesten Wissenschaften – der Wissenschaft des Mantras? Darüber erzählt uns Shri Gurudev Shri Prakash Ji.

– Verehrter Lehrer, bitte sagen Sie uns, was versteht man unter einem Mantra?

– Im Sanskrit gibt es Silben, Worte oder Verse, die dem Menschen helfen, bestimmte Resultate zu erzielen, wenn er sie während der Meditation wiederholt. Wenn man das Wort „Mantra“ übersetzt, bedeutet es „das, was den Geist befreit“. Das ist die einfachste Bedeutung davon. Wenn der Mensch das Mantra regelmäßig wiederholt, beruhigt sich der Verstand und innere Freude kommt auf.

– Sie sagten, die einfachste Bedeutung von Mantra ist die Beruhigung des Verstandes. Welche Bedeutung hat es im tieferen Sinne?

– Das Leben, das der Mensch jetzt lebt, und alles, was ihm darin wiederfährt, resultiert aus seinen früheren Gedanken, Worten und Taten, die sich nicht einfach auflösen, sondern alle zusammen sein Karma bilden. Sehr viele Leben lebt ein Mensch und in diesem Leben bekommt er das entsprechende Resultat. Es gibt drei Arten von Karma – Gedanken, Worte und Taten, doch die Taten bilden das stärkste Karma. Bereits vor der Geburt des Menschen ist seine Zukunft bestimmt. Die göttliche Kraft, das göttliche Gesetz wirkt so gut, dass alle Gedanken, Worte und Taten jedes Menschen als Klang, als Wort im Universum erhalten bleiben. Wir denken, dass wir etwas gesagt, gedacht oder getan haben und dann ist alles vergessen, aber das ist nicht so. Gute Gedanken, Worte und Taten bleiben erhalten und werden als gute Worte gespeichert, nicht gute bleiben ebenfalls erhalten. Dies alles kehrt später zu uns zurück und bringt entsprechende Resultate mit sich, Leid oder Freude.  Es kommt vor, dass ein guter Mensch Unannehmlichkeiten begegnet bzw. in schwierige Situationen gerät, oder umgekehrt geschieht ihm unerwartet etwas sehr gutes. Das ist die Erscheinung seines Karmas aus früheren Leben.

– Das Wirken des göttlichen Gesetzes ist eine große Wissenschaft. Der Mensch kann Fehler begehen oder sich irren, aber in der Wirkung dieses Gesetzes gibt es keine Fehler, der Mensch, bekommt alles, was nötig ist. In alten Zeiten, als die geistigen Weisen sehr viel über Gott nachgedacht haben, erkannten sie, wie dieses Gesetz wirkt. Durch Meditationen entdeckten sie reine Worte, Mantras, die dem Menschen helfen können, die negativen Anhäufungen seines Karmas zu reinigen. Wenn der Mensch ein solches Wort wiederholt, wird sich der Effekt des negativen Karmas verringern. Das ist die wichtigste Funktion des Mantras.

– Guru Ji, es gibt heute viele Bücher, in denen verschiedene Mantras aufgeführt werden, z.B. für materiellen Wohlstand, Gesundheit, glückliches Familienleben, usw. Ist es richtig, diese nach eigener Entscheidung anzuwenden?

– Man kann jetzt viele Mantras in Büchern lesen, jedoch sollte man das Mantra wiederholen, das man von einem geistigen Menschen bekommt, der sich in diesem Mantra vervollkommnet hat und dessen  Bedeutung voll und ganz versteht. Er hat durch das Mantra die Kraft gesehen, die diesem innewohnt und weiß genau, wie es wirkt. Ein Mantra hat sehr viele Bedeutungen, es reicht nicht aus, nur die Worte zu übersetzen. Bei manchen Mantras ist es ganz verboten, sie aus Büchern zu entnehmen.
Wenn der Lehrer ein Guru-Mantra gibt, schaut er auf den inneren Zustand des Menschen, der verbunden ist mit einem der Bij-Mantras. Wenn der Mensch zum Lehrer kommt, sieht ihn der Lehrer als Seele, nicht als Mann oder Frau. Er schaut nicht darauf, ob man arm oder reich ist. Er sieht das Karma dieser Seele, die Energie, mit welcher dieser Mensch durchs Leben geht. In der Meditation erkennt der Lehrer, welches Mantra demjenigen helfen wird, welches Bij-Mantra innerhalb des Guru Mantras gegeben werden soll. Eben dieses Manta wird den Menschen zur Vervollkommnung führen und sein Leben harmonisieren.

– Die Kraft des Mantras ist grenzenlos und ihre volle Bedeutung kann man nicht in Worte fassen. Wenn der Mensch die Einweihung bekommen hat und das Mantra regelmäßig wiederholt, beginnt sein Leben sich allmählich zu ordnen. Selbst bei einem Menschen in einer sehr schwierigen Situation kann das Leben eine Wendung in eine ganz andere Richtung nehmen. Meist versteht der Mensch nicht, wie es möglich ist, dass sich sein Leben zum Positiven ändert. Jeder Mensch hat auch ein gutes Karma. Dank dem Mantra beginnt es nach und nach aufzuwachen und negatives Karma verringert sich.

– Kann das Wiederholen des Mantras in einer schwierigen Situation im Leben helfen?

– Alle haben irgendein gutes Karma, das noch schläft. Gott hat jedem Menschen viel gegeben. Bei dem einen wacht das gute Karma schnell auf, bei anderen schläft es noch ganz tief, weil noch viel von dem Karma da ist, das nicht zulässt, dass das Gute aufwacht. Praktiziert man jedoch täglich die Wiederholung des Mantras, wird auf jeden Fall gutes Karma aufwachen und ein positives Resultat bewirken, das kann ich mit voller Gewissheit sagen.
Es gibt sehr schwierige Situationen im Leben, manchmal kommt ein Mensch mit solchen Schwierigkeiten, dass es scheint, es gäbe keinen Ausweg und alle Türen wären für ihn verschlossen. Wenn ich in so einer Situation ein Mantra gegeben habe, und der Mensch es praktizierte, fand sich ein Weg, und das Leben regelte sich.
Bei dem einen passiert es schnell, bei anderen dauert es einige Monate, in Abhängigkeit davon, wie konzentriert derjenige seine Sadhana, seine geistige Praxis erfüllt. Das Mantra besitzt eine große reinigende Kraft und wenn das negative Karma bereinigt wird, wird das Gute aufwachen.

– Wenn ich mich mit meinen Schülern treffe, verstehe ich schnell, wer regelmäßig praktiziert und wer nicht. Bei wem ich richtiges und regelmäßiges Wiederholen sehe, derjenige hat keine großen Beschwerden. Irgendwelche kleine Probleme gibt es immer, aber niemals so, dass es kein Ausweg gibt, für alles findet sich eine Lösung.

– Sie sagten, dass man alles nach seinem Karma bekommt und das Mantra reinigt das Karma. In wie weit kann man sein Schicksal mit Hilfe der geistigen Praxis verbessern?

– Alle bekommen 100% ihres Karmas. Wenn der Mensch aber betet, das Mantra wiederholt, meditiert und eine gesunde und richtige Lebensweise führt, dann kann er fast die Hälfte verbessern. Das ist sehr viel. Aber das übrige Karma muss man trotzdem abarbeiten.
So sind die Regeln des Karma. Das göttliche Gesetz zu 100% zu ändern ist sehr schwierig. Es gab nur einige wenige Menschen in der Erdgeschichte, denen das gelang. Diese Menschen waren sehr hohe Yogis.

– Und welche Rolle hat das Gebet?

– Wenn ein Yogi einen Menschen anschaut, sieht er, dass dieser komplett aus Worten und verschiedenen Lauten besteht.
Das ganze Weltall begann mit einem Wort, überall gibt es Klang, in allem ist Wort. Das ist der Grund, warum es in allen Glaubensrichtungen Gebete in Form von Worten gibt. Deshalb waren die Menschen der Ansicht, dass man von reinem Herzen beten muss, um sein eigenes Karma zu reinigen.

– Das Gebet muss nicht unbedingt die Form eines Textes haben. Jedes Wort, mit dem sich ein Mensch aufrichtig und von Herzen an Gott wendet, kann als Gebet angesehen werden. Wichtig ist der reine Zustand während dieser Zeit. Am besten gelingt das Gebet nach der Mantra-Rezitation.  Nachdem das Mantra viele Male ausgesprochen wurde, ist der innere Zustand reiner und das Gebet wirkt noch besser.

– Jedes Gebet bewirkt ein Resultat, wenn es tief von Herzen kommt. Aber für die Reinigung reicht das Gebet allein nicht aus, man muss ständig auf seine Gedanken, Worte und Taten achten. Wenn man sich darum bemüht, ist es eine große geistige Praxis und das beste Gebet.

– Auf welche Weise soll man das Mantra wiederholen? Gibt es dafür bestimmte Regeln?

– Es gibt drei Arten, das Mantra zu wiederholen: laut ausgesprochen, flüsternd und in Gedanken.

– Im Anfangsstadium der Praxis ist es besser, das Mantra laut auszusprechen, wenn man diese Möglichkeit hat. Es ist gut, laut zu wiederholen, wenn sich niemand in der Nähe befindet, weil die Sadhana wirkungsvoller ist, wenn man in dieser Zeit allein ist. Wiederholt man laut, erhöht sich mit der Zeit die Konzentration und das Wiederholen wird von alleine innerlich. Wenn einem viele Gedanken in den Sinn kommen, hilft der Klang, die Anzahl der Gedanken verringert sich. Wiederholt man das Mantra in Gedanken, aber es gelingt noch nicht, sich zu konzentrieren, dann schweifen die Gedanken umher, und das Mantra wird noch nicht so gut funktionieren.

– Ist immer jemand in ihrer Nähe, der Sie hören kann, dann ist es besser, flüsternd zu wiederholen, sodass sich nur die Lippen bewegen, der andere Sie aber nicht hören kann.

– Wenn die Mantras laut oder halb laut rezitiert werden, muss man auf die Sauberkeit des Körpers und des Ortes, an dem man praktiziert, achten. Die äußere Reinheit ist wichtig, weil das Mantra eine heilige geistige Energie ist. Damit dort eine gute Kraft wirken kann, sind die innere und äußere Reinheit notwendig.
Für die Wiederholung des Mantras in Gedanken, gibt es allerdings keine solch strengen Regeln. In Gedanken kann man  jederzeit und überall praktizieren. Man kann das Mantra unterwegs oder bei der Arbeit im Inneren wiederholen.

– Sollte man während der Mantrarezitation eine bestimmte Haltung einnehmen?

– Für die Praxis ist es sehr gut, wenn die Wirbelsäule gerade ist. Es ist besser, in einer speziellen Haltung dafür zu sitzen. Vielen aber, die nicht von Kindheit an daran gewöhnt sind, fällt es schwer, so zu sitzen. Wenn die Beine sehr schmerzen, kann man das Mantra auf einem Stuhl sitzend wiederholen. Es ist wichtig darauf zu achten, dass der Rücken währenddessen gerade ist. Viele Nerven verlaufen durch die Wirbelsäule. Wenn man nicht mit geradem Rücken sitzt, wird es für die Energie schwierig sein aufzusteigen, um die Chakren zu erwecken. Erst wenn die Chakren harmonisch arbeiten, wird es im Leben Schönheit geben.

– Wie kann die maximale Wirkung bei der Mantrarezitation erreicht werden?

– Um ein gutes Resultat durch das Wiederholen des Mantras zu bekommen, ist die Regelmäßigkeit der Praxis sehr wichtig. Das Mantra kann alles geben, sei es materieller oder geistiger Erfolg, es hängt jedoch alles davon ab, wie man es praktiziert. Wenn man jeden Tag jeweils eineinhalb Stunden morgens und abends die Praxis ausübt, wird man auf jeden Fall ein gutes, ruhiges Leben haben. Hat man das Mantra erhalten, nimmt aber die Praxis nicht ernst, wird es so ein Resultat nicht geben. Auch wenn man die Praxis ständig wechselt, wird es keine Ruhe geben. Für die spirituelle Praxis ist es wichtig, sich auf eines zu konzentrieren. Das Minimum sind 40 min pro Tag. Für ein normales schnelles Resultat sind eineinhalb bis zwei Stunden guter Meditation und Mantrawiederholung erforderlich. Dann werden nach einem oder eineinhalb Jahren auf jeden Fall Änderungen zum Besseren eintreten.

– Wer in seiner Tagesplanung keine 40 min. für die Mantra Praxis findet, kann mit weniger beginnen. Fünf bis zehn min regelmäßiger Praxis werden auch ein positives Resultat bewirken. Mit der Zeit wird immer mehr Ordnung im Leben einkehren, und es wird möglich, länger zu praktizieren.

– Wenn sich jemand maximale geistige Errungenschaften wünscht, braucht er eine Praxis von vier Stunden täglich, mindestens vier Stunden. Dann wird geistige Energie aufwachen, die weltlichen Dinge beginnen sich zu ordnen und allmählich wird es auch einen geistigen Fortschritt geben. Wenn man über geistiges Karma verfügt, dann wird es schnell aufwachen.

– Guru Ji, was soll ein Mensch machen, der eine Arbeit, Familie, Kinder hat, der sich um vieles kümmern muss, so dass es schwierig ist, für die geistige Praxis Zeit zu finden?

– Die Menschen finden keine Zeit für das Mantra, weil sie dessen Wichtigkeit nicht verstehen. In Wirklichkeit ist es das Wichtigste im Leben, seinen Tag mit Gebet, mit Mantra zu beginnen und zu lernen, sich zu konzentrieren. Das gibt Kraft für den ganzen Tag, für jede Arbeit, die man erfüllt. Wer zu Hause ist, braucht Kraft für den Haushalt, wer berufstätig ist, braucht Kraft für die Arbeit, wer mit Geistigkeit beschäftigt ist, braucht Kraft für sein geistiges Wachstum. Deshalb ist es gut, seinen Tag mit dem Mantra zu beginnen. Es reinigt, lehrt Konzentration und gibt Kraft und Energie.

– Eineinhalb Stunden kann jeder finden. Eine oder eineinhalb Stunden verbraucht man täglich für andere Dinge, meistens sind es überflüssige Gespräche. Für das Essen verbraucht man 30-40 min. Zum Duschen nimmt man sich auch Zeit. Für all diese Handlungen findet man Zeit. Genau so sollte die geistige Praxis ein fester Bestandteil des Tagesablaufs sein. Ich verstehe, dass es für die Menschen, die in der Welt leben, nicht einfach ist, Zeit für die geistige Praxis zu finden. Doch nur sie wird dabei helfen können, Ordnung ins Leben zu bringen. Wenn man sich diszipliniert, wird man ganz sicher Zeit finden, in welcher man das Mantra wiederholen kann. Dies kann jeder schaffen, selbst der am meisten beschäftigte Mensch.

– Alle Menschen wünschen sich ein gutes und glückliches Leben. Nur das fehlende Wissen hindert sie daran, in Freude zu leben und ihre Ziele zu erreichen. Die Mantra-Wissenschaft ist eine sehr alte Wissenschaft, die den Schlüssel gibt, der viele Türen öffnet. Es gibt keine Zweifel daran, dass das Mantra helfen kann, gesundheitliche Probleme zu lösen und den inneren Zustand, sowie die äußere, die materielle Situation zu verbessern. Das Mantra kann sehr vieles. Mit diesem Schlüssel kann jeder sein Leben zum Besseren wenden. Radhe Radhe!

 

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