Geistiges Nachdenken

Texte von einer Schülerin von Shri Prakash Ji

Das Märchen vom Samenkorn

Es war einmal ein Samenkorn. Über sich wusste es nichts. Es sah klein und unscheinbar aus, aber irgendwie fühlte es sich klein und groß zugleich. Etwas in ihm sagte, dass aus ihm etwas Größeres werden könnte als das, was es jetzt war. Dabei ist anzumerken, dass es innerhalb eines jeden Samens etwas gibt, das allen Samen gemein ist, das Streben nach Wachstum – nur liegt es bei vielen Samen in tiefstem Schlafe. Auch in unserem Samenkorn schlief das Streben nach Wachstum noch.

Sonne

Ohne was wäre unser Leben unvorstellbar? Man würde wohl sagen: ohne Essen, Wasser, Kleidung und ohne ein Dach über dem Kopf. In Wirklichkeit gibt es aber Dinge, ohne die man nicht einmal Essen, Wasser und alles andere braucht – und das sind Sonnenwärme und Licht.

Braucht man einen Lehrer?

Bei jeder Arbeit und in allen Lebensbereichen brauchen wir eine Quelle, aus der wir die notwendigen Kenntnisse schöpfen können, wenn wir etwas lernen wollen. Wir wollen zum Beispiel ein neues Gerät oder einen Mechanismus beherrschen oder ein Musikinstrument spielen lernen. Es gibt drei mögliche Wege, diese Kenntnisse zu erwerben:

– die Methode des Probierens,

– die Gebrauchsanweisung,

– einen Menschen, der dieses Gerät oder das Instrument schon beherrscht.

Alle drei Varianten werden von uns überall im Leben angewendet. Welche davon ist am schnellsten und effektivsten? Ich glaube, jeder kennt die Antwort. Und wenn es nun um einen so komplizierten Mechanismus wie den Menschen geht?

Was lehrt der geistige Lehrer?

Der geistige Lehrer erinnert die Menschen an das, was viele von uns völlig vergessen haben: dass wir nicht nur der physische Körper und alles, was mit ihm in Verbindung steht, sind. Um harmonisch auf diesem Planeten zu leben, sollte man nicht nur an Essen, Komfort und die Existenzgrundlage denken – man sollte genauso auch der Seele und dem inneren Zustand Aufmerksamkeit widmen.

Ist das denn mein Lehrer?

Diese Frage stellen sich Menschen häufig. Meine Meinung: Wenn jemand großes Wissen in einem für mich interessanten Bereich besitzt und bereit ist, seine Kenntnisse mit mir zu teilen, so kann er mein Lehrer sein.

Wenn ein Mensch Ruhe und Liebe ausstrahlt, die ich noch nicht habe, und er sie wirklich erlangt hat, dann kann er sie mich lehren. Wenn er große Weisheit hat – kann ich von ihm etwas lernen.

Über Menschen und Religionen

In der Kindheit hat es mich immer wieder gewundert, dass Menschen über Religionen streiten können und dabei sagen, dass die eine besser und die andere schlechter ist. Auch fand ich es sehr merkwürdig, dass ein Mensch, der nach seiner Überzeugung entsprechend den geistigen Geboten lebte, aber nicht in die Kirche ging, als Ungläubiger galt.

Jeder, der sich die Zeit dafür nimmt, aufrichtig und tiefgründig die Religionen zu studieren, wird sich bestimmt davon überzeugen, dass sie alle die gleichen Werte und im wesentlichen auch ähnliche Praktiken haben, und schließlich zu der Erkenntnis kommen, dass alles eins ist, dass alles Gnade, Segen und Liebe ist.

Über Dankbarkeit  

Früher war es für mich schwer, die einfachen Worte anzunehmen: „Man soll dankbar sein“ – wem sollte ich dankbar sein? Wofür? Wieso? Dabei hat mir ein Buch geholfen – welches, daran kann ich mich nicht mehr erinnern –, in dem stand, dass wir durch Dankbarkeit in Harmonie mit dem Universum eintreten. Genau deshalb ist es sehr wichtig, dankbar zu sein, wenn wir glücklich sein möchten.

Über Verzeihung

Für gewöhnlich ist es nicht leicht, jemandem zu verzeihen: Wie kann das sein, man hat mich beleidigt! Ich wurde ungerecht behandelt!

Stellen Sie sich vor, dass wir mit jeder Beleidigung einen großen Haufen Müll in unsere Seele hinein werfen – mal weniger, mal mehr. Im Laufe des Lebens wächst dieser Haufen. Und wenn wir dann nicht lernen zu vergeben, uns von dem inneren, seelischen Müll zu befreien, kann man sich im hohen Alter in eine große Müllhalde verwandeln. Sagen Sie, würde es Ihnen gefallen, an einem so „angenehmen“ Platz zu leben?

Über die Schüler

Manchmal, wenn man die Schüler eines spirituellen Lehrers kennen lernt, erwartet man, nahezu Heilige in ihnen zu sehen (so war es zumindest bei mir). Es ist sinnvoll, sich daran zu erinnern, dass gerade diejenigen zum Lehrer kommen, die den Wunsch haben, etwas zu lernen, an sich zu arbeiten und sich zu vervollkommnen. Wenn ein Erstklässler noch nicht oder kaum Lesen und Schreiben kann, bedeutet das nicht, dass aus ihm nicht irgendwann ein Akademiker werden kann. Alles braucht seine Zeit. Ein Blumensamen sieht vielleicht nicht schön aus und mit Blick auf den Spross kann man meist nicht über die Schönheit der zukünftigen Blume urteilen.

Über den geistigen Weg, Beständigkeit und Hingabe

Nur derjenige, der den Weg geht, kann ihn auch bezwingen – den Weg, den er selbst gewählt hat. In der geistigen Sphäre funktionieren viele gewohnte Gesetze genauso gut wie in der materiellen Welt: Wenn ein Mensch den Wunsch hat, ein olympischer Champion zu werden, sollte er dann heute mit Tennis anfangen, nach drei Monaten damit aufhören und zum Fechten wechseln, ein Jahr später auch damit aufhören und Kampfsport ausüben? Kann er dann mit den Profis wetteifern?

Von welchen Errungenschaften kann hier die Rede sein? Natürlich trifft jeder die Wahl für sich selbst. Man sollte sich nur bewusst sein, was man erreichen kann, in dem man die eine oder andere Haltung eingenommen hat. Wenn man Erfolg haben möchte, sei es im Weltlichen oder im Geistigen, dann muss man seinem Weg treu sein.

Über Abhängigkeiten

Heutzutage haben viele Menschen Angst, von jemandem abhängig zu werden. Doch die Wahrheit besteht darin, dass man eine Zeitlang abhängig sein muss, um überhaupt aufzuwachsen. Das Kind würde sterben, gewährte man ihm die volle Unabhängigkeit, bevor es genügend ausgereift und selbständig ist. Sie würden wohl herzlich lachen, hörten Sie von einem fünfjährigen Kind, das besser weiß, wie es in dieser Welt leben soll. Diese Art von Abhängigkeit ist also positiv. Ein Kind ist von seinen Eltern abhängig.

Doch im geistigen Bereich fällt es den Menschen aus irgendeinem Grunde schwer zuzugeben, dass sie wie Kinder sein können, die die Führung durch einen anderen annehmen sollen. Selig sind diejenigen, die weise genug sind, sich von einem Lehrer, der wissend und erfahren ist, führen zu lassen. Sie werden aufwachsen und stark werden und in der Lage sein voranzugehen, um andere zu führen.