Interview mit dem geistigen Lehrer Shri Prakash Ji. Berlin 2016

Wie bleibt man im Einklang mit seiner Seele

Interview mit dem geistigen Lehrer Shri Prakash Ji. Berlin 2016

Der gebürtige Brahmane Shri Prakash Ji ist der geistige Lehrer für viele Menschen auf der ganzen Welt. Ein gutes Wort, einen weisen Rat und Segen bekommt jeder, der das Glück hat, ihn zu treffen.

Unser Bewusstsein ist ständig äußeren Einflüssen ausgesetzt: politischen Krisen, der Boshaftigkeit und Negativität des Umfeldes sowie gekränkten Verwandten. Wie kann man unter solchen Umständen seine Güte und innere Harmonie bewahren? Mit dieser Frage haben wir uns an Shri Prakash Ji gewandt.

– Das Umfeld, die Gesellschaft, die Politik und auch die Wirtschaft beeinflussen unser Bewusstsein. Wie kann man dabei ein geistig gesunder und ehrlicher Mensch bleiben?

– Der Verstand spielt in unserem Leben eine wichtige Rolle, in welchem Zustand er sich befindet ist entscheidend. Im Zustand der Ruhe und Freude arbeitet der Verstand gut.

Ebenso ist wichtig, woher unser Verstand seine Informationen bekommt. Wenn der Mensch viele positive Informationen erhält, wird er mit der Zeit positiv denken und handeln. Nimmt er hingegen ständig negative Informationen auf, wird sein Denken und Handeln allmählich davon bestimmt werden.

Genauso verhält es sich mit dem Umfeld. Wenn es gut ist, entwickeln sich beim Menschen Güte, Liebe und Respekt, und er beginnt, auch so zu handeln. Ist das Umfeld schlecht, werden die negativen Informationen den Verstand beeinflussen und der Mensch wird allmählich auch entsprechend handeln.

In den meisten Fällen beeinflusst uns unser Umfeld. Selten verfügt ein Mensch über eine solche innere Kraft, dass das Umfeld keine Rolle spielt. Nur ein geringer Teil der Menschen ist in der Lage, sein Umfeld zu ändern.

Was ist dafür notwendig: Geistige Vervollkommnung, ein geistiges Umfeld und eine regelmäßige geistige Praxis.

In einem solchen Fall, wenn der Mensch ständig liest, was die Politiker sagen und was in der Welt geschieht, wird er sich nicht so stark darein vertiefen.

– Kann man denn dabei sozial aktiv bleiben, und wenn man mit etwas nicht einverstanden ist, seinen Standpunkt äußern?

– Ja, man kann seinen Standpunkt vertreten und auf ruhige Weise sagen, was man denkt, aber innerlich sollte man im Gleichgewicht bleiben.

Dabei können Meditation, Mantras, Gebete, die Liebe, das Wiederholen des Namens Gottes und regelmäßige geistige Praxis helfen. Dann entsteht im Menschen ein ruhiger Zustand. Und wenn man den Zustand der inneren Ruhe bewahrt, wird man in allen Situationen ausgeglichen reagieren.

– Was bedeutet regelmäßige geistige Praxis?

– Regelmäßig heißt jeden Tag, so wie das tägliche Frühstück, Mittag- und Abendessen. Doch innerhalb des physischen Körpers, der nicht ewig ist, gibt es eine Kraft, die ewig ist, die Kraft Gottes. Das ist die Seele. Wenn es sie nicht gäbe, würde es nichts geben. Gott, der in uns ist, ist das Wichtigste. Doch was tun wir für Ihn? Wenn wir nichts tun, woher bekommen wir dann innere Ruhe? Es wird keine geben! Wenn wir beten, meditieren, in der Religion oder der Tradition, der wir angehören praktizieren, wird man auch innere Kraft haben, und geistige Eigenschaften werden sich entwickeln. Ohne dieses wird sich die innere Kraft allmählich sich immer mehr verringern.

Man muss lieben, aber sich nicht anbinden

– Selbst Menschen, die regelmäßig geistige Praxis ausüben, sind manchmal gereizt und reagieren aggressiv bei dem Kontakt mit Arbeitskollegen, Verwandten und Menschen mit einer negativen Haltung.

– Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie gehen auf der Straße und ein fremder Mensch sagt Ihnen etwas Unangenehmes, oder Verwandte oder Freunde.

Wer wird Sie mehr verletzen?

– Derjenige der mir näher steht, wird mich mehr verletzen.

– Richtig. Warum? Weil Sie an diesen Mensch gebunden sind. An einen Menschen auf der Straße, der Ihnen etwas gesagt hat, sind Sie nicht gebunden. Deshalb werden sie nicht darauf reagieren.

Aber wenn ein Mensch, an den Sie gebunden sind, Ihnen etwas sagen wird, das Ihnen nicht gefällt, wird es Sie verletzen. Aus diesem Grund muss man die Anbindung verringern. Man soll lieben, aber sich nicht anbinden.

Bindung ist, wenn Sie jemanden lieben und Liebe zurück erwarten.
Wenn Sie diese nicht bekommen, gefällt es Ihnen nicht. Sie sind unzufrieden und Wut steigt auf: „Es ist nicht so, wie ich wollte!“

Wenn ich jemandem helfe, jemanden liebe und dasselbe zurück erwarte, und der Mensch es mir nicht gibt, fühle ich mich schlecht. Das ist Anbindung.

Es ist Liebe, wenn man nichts zurück erwartet. Dann wird es einem immer gut gehen, man wird innere Ruhe haben.

Deshalb sollte man im Leben die Liebe praktizieren: die Anbindungen verringern und die Liebe steigern. Auch das ist geistige Praxis.

– Wie kann man das erreichen?

– Zum Beispiel jemand kommt zu mir mit einem Problem oder mit einer Frage, die die Geistigkeit betrifft. Dann helfe ich, so gut ich kann und erwarte nicht, daß dieser Mensch mir dankbar sein oder für mich etwas Gutes tun wird, weil ich ihm geholfen oder einen guten Rat gegeben habe. So ist es auch im Leben: Die Kinder, der Mann, die Verwandten, sie alle tun etwas und erwarten, daß für sie auch etwas getan wird. Sie sind innerlich unruhig. Das ist Anbindung. Wenn man etwas tut und vergißt, das ist Liebe. Das bedeutet, es gibt keine Anhaftungen und daher auch keine Unzufriedenheit.

Sie können nicht alle verändern, aber Sie können sich selbst vervollkommnen!

– Wenn aber die Situation umgekehrt ist: andere Menschen, z. B. Verwandte oder Freunde sind sehr anhänglich und erwarten von uns mehr, als wir bereit sind, ihnen zu geben. Wie soll man sich verhalten, um gute Beziehungen zu bewahren?

– Helfen Sie, so viel Sie können. Jeder Mensch hat seine materiellen und physischen Möglichkeiten. Mehr als das können Sie nicht geben. Auch Sie müssen leben. Wenn der Andere unzufrieden ist, muß er an sich arbeiten. Jeder sollte sich vervollkommnen. Sie können nicht alle verändern, aber Sie können sich selbst verändern. Anbieten können Sie. Jede gute Praxis, die sie kennen, können Sie selbst ausüben und dem Anderen anbieten, jedoch nicht aufzwingen. Das wäre falsch. Das ist auch Anbindung.

– Das heißt, wir können die Anderen beeinflussen, indem wir uns verändern?

– Nur wenn wir uns verändern. Und wir können zu Gott beten. Das ist eine große Kraft. Gott ist bei allen im Inneren. Wir sind seine Kinder. Wenn wir jemandem helfen wollen, können wir zu Gott beten, ihn für gute Taten zu inspirieren. Wir können anbieten und zu Gott beten.

– Wenn etwas passiert, womit ich absolut nicht einverstanden bin, habe ich das Recht, meine Meinung zu äußern? Und auf welche Art und Weise sollte ich das tun, um den Anderen nicht zu verletzen?

– Ja, Sie können. Ob derjenige verletzt wird, oder nicht, hängt nicht allein von Ihnen ab. Von Ihrer Seite her können Sie versuchen ihm zu helfen, richtig und ruhig mit ihm reden, aber über das Resultat sollten Sie sich keine großen Gedanken machen.

Dies hängt auch von dem anderen Menschen ab. Der Wunsch, jemanden nicht zu verletzen, ist eine gute Eigenschaft, aber wenn der Andere nicht über das Wissen verfügt, was können Sie dann tun? Oftmals kommt alles anders, als man möchte. Vieles wird nicht so sein, wie wir das wollen, sondern wie es sein muss. Das Ergebnis liegt in den Händen Gottes.

In allen Traditionen gibt es gemeinsame geistige Grundsätze

– Wie können wir es lernen anzunehmen, was passiert, und was im Leben gegeben ist?

– Dafür braucht man geistiges Wissen. Wenn der Mensch es hat, wird er alles ruhig annehmen. Zum Beispiel, in unserer Tradition passiert alles, was im Leben geschieht,  nach Karma. Alles, was der Mensch im vergangenen Leben getan, gedacht und gesagt hat, wird zu ihm zurückkehren. Es geschieht alles so, wie es sein muss. Wozu sollte man sich beunruhigen? Wenn ich mich bemühe, alles gut und richtig zu machen, und es gelingt etwas trotzdem nicht, so ist es vorgegeben. Wenn ein Mensch dieses Wissen nicht hat, wird er immer in Unruhe leben.

In allen Religionen gibt es gemeinsames geistiges Wissen. Das ist das gemeinsame geistige Prinzip. Wenn Sie an sich arbeiten, wird das geistige Wissen aufwachen. Wer das Wissen besitzt, kann in jeder Situation ruhig leben.

– Gibt es dieses Wissen in allen geistigen Traditionen?

– In allen. Es gibt religiöse Rituale, die bei allen unterschiedlich sind. Aber es gibt gemeinsame geistige Grundsätze. Keine Religion lehrt uns Disharmonie, keine Religion lehrt uns Respektlosigkeit gegenüber Anderen. Das, was allen Traditionen gemeinsam ist, ist die Geistigkeit. Die Rituale und Bräuche sind die Religiosität.

– Wenn alle Traditionen etwas gemeinsam haben, warum gibt es keinen Frieden unter den Religionen?

– Weil wir Gott „hinter einen Zaun eingesperrt haben“. Wir sagen: mein Gott ist hinter diesem „Zaun“, dein Gott ist hinter deinem „Zaun“. Aber Gott kann man nicht eingrenzen! Dieser „Zaun“ ist unser Bewusstsein. Wir haften so sehr an unserer Religion an, dass wir denken: „Wir sind gut und alles andere ist schlecht.“ Das ist der Grund aller Konflikte. Alle sind gut, weil der eine Gott sich in uns allen befindet! Es gibt dort kein Christentum oder Hinduismus!

Wenn man den geistigen Fortschritt erreichen möchte, sollte man alle Zäune beseitigen. In jeder Religion sollte man die Traditionen der anderen respektieren.

– Wie kann man das ändern? Was sollen die Menschen dafür tun?

– Es wird erst dann möglich sein,  wenn die Menschen gelernt haben, sich gegenseitig zu lieben und zu respektieren, denn wir alle haben einen Vater und wir alle sind Seine Kinder.

– Ich bedanke mich, dass Sie sich Zeit genommen haben, für dieses interessante Gespräch.

Das Gespräch führte Natalia Davydov

Arkona-center.de

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